White Shirt Spleen

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Ist es ein Zeichen kulturellen Verfalls, wenn heute produzierte Hemden im Vergleich mit ihren 100 Jahre alten Pendants qualitativ nicht mithalten können ?
Die Klage, dass früher alles besser war, dient reaktionären gesellschaftlichen Kräften dazu, den Ruf nach Abschottung zu untermauern -und, nicht ganz nebenbei, diese Abschottung als kulturelle einzufordern.

Ganz im Gegensatz dazu steht die Erkenntnis, die ich aus der Beschäftigung mit der Geschichte der Hemdenmanufaktur bzw Hemdenproduktion in Wien gewonnen habe:
Gerade die Offenheit und fortschrittliche Gesinnung einer über lange Zeit benachteiligten (und deshalb umso mehr auf identitätsstiftende kulturelle Zugehörigkeit jenseits nationaler Abgrenzung angewiesenen) Bevölkerungsgruppe war der Anstoß für produktionstechnischen Fortschritt und ökonomischen Erfolg.

Die Geschichte des Hemds ist immer auch jene seiner symbolischen Aufladung:
Als sich im 19. Jahrhundert der gestärkte, abnehmbare Kragen -und das was man heute unter “dress shirt” kennt- etablierte, stand das für Pflichtbewußtsein und Tugendhaftigkeit (also ganz im Sinne der protestantischen Ethik…), für die Zugehörigkeit zu einer gehobenen Gesellschaftsschicht (“white collar” / “blue collar”), für Sauberkeit, Gepflegtheit und Eleganz, -für die Zugehörigkeit zur moralischen Norm. -Es war also oft eine Verkleidung.

Der Fetisch vom perfekten weißen Hemd als ästhetisches Phänomen (mit seinen ethischen Implikationen und vor seinem kulturellen Hintergrund) ist der gestalterische Anstoß für die Entwicklung dieser Produktlinie.

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